Offener Brief an Bischof Kapellari

Von | 30. August 2011

Sehr geehrter Herr Bischof Kapellari,
im Zusammenhang mit der Diskussion um den »Aufruf zum Ungehorsam« der Pfarrer-Initiative werden Sie von der Katholischen Presse-Agentur Österreich wie folgt zitiert:

Wie der stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz sagte, könne über einige Forderungen der Pfarrer-Initiative durchaus diskutiert werden, etwa über die stärkere Beteiligung von Laien an Leitungsfunktionen in Pfarren. Nicht verhandelbar sei hingegen die Forderung nach dem Frauenpriestertum. Hier hätten sich zwei Päpste »mit hoher theologischer Qualifikation« dagegen ausgesprochen, auch wenn er – Kapellari – wisse, »dass das viele nicht verstehen«. Eine Änderung in dieser Frage könnte es nur durch ein Konzil geben.

Ich setze voraus, dass Sie als langjähriger Diözesanbischof der römisch-katholischen Kirche Ihre Worte in einer in der Öffentlichkeit sehr aufmerksam verfolgten Angelegenheit sorgfältig wählen und die dogmatischen und kanonistischen Aspekte dieser Frage intensiv reflektiert haben. Außerdem gehe ich davon aus, dass Sie von der Katholischen Presse-Agentur korrekt zitiert werden, ansonsten bitte ich um Übersendung des genauen Wortlautes Ihrer Äußerungen. 

Gestatten Sie mir zu Ihren Ausführungen folgende Fragen:

  1. Halten Sie die Lehre von Papst Johannes Paul II., die römisch-katholische Kirche habe »keinerlei Vollmacht (.), Frauen die Priesterweihe zu spenden«, für eine unfehlbare Äußerung des ordentlichen und universalen Lehramtes? (Vgl. dazu das Apostolische Schreiben »Ordinatio Sacerdotalis« vom 22. Mai 1994:  »Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.« bzw. die »Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben ‚Ordinatio sacerdotalis‘ vorgelegten Lehre« der Kongregration für die Glaubenslehre vom 28. Oktober 1995 (die von Papst Johannes Paul II. gebilligt und zu veröffentlichen angeordnet wurde): »Diese Lehre fordert eine endgültige Zustimmung, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist.«
  2. Teilen Sie die Ansicht des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke bezüglich »Ordinatio Sacerdotalis«? (vgl. Norbert Lüdecke, Die Grundnormen des katholischen Lehrrechts in den päpstlichen Gesetzbüchern und neueren Äußerungen in päpstlicher Autorität (FzK 28), Würzburg 1997, S. 516: »Mit dem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis hat Papst Johannes Paul II. autoritativ erklärt, es sei unfehlbare Lehre des ordentlichen und universalen Lehramts der über die Welt verstreuten Gemeinschaft der Bischöfe, daß die Priesterweihe Männern vorzubehalten ist. Durch diesen Akt ist offenkundig, daß es sich um eine definitive, d. h. letztgültige, irreformable, von niemandem jemals mehr revidierbare Lehre der katholischen Kirche handelt.«)
  3. Stimmen Sie der Auffassung zu, dass derjenige, der »diese als endgültig zu haltenden Sätze ablehnt«, sich damit »der Lehre der katholischen Kirche widersetzt« und »nicht mehr in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche« steht? Stimmen Sie der Auffassung zu, das jemand, der die Lehre von der Unmöglichkeit der Priesterweihe von Frauen »hartnäckig ablehnt und (…) nicht widerruft«, »mit einer gerechten Strafe belegt« werden soll? (Vgl. CIC nach Änderungen durch das Apostolische Schreiben »Ad tuendam fidem« von Papst Johannes Paul II. vom 18. Mai 1998: »Can. 750 – § 2. Fest anzuerkennen und zu halten ist auch alles und jedes, was vom Lehramt der Kirche bezüglich des Glaubens und der Sitten endgültig vorgelegt wird, das also, was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist; daher widersetzt sich der Lehre der katholischen Kirche, wer diese als endgültig zu haltenden Sätze ablehnt. (…) Can. 1371 – Mit einer gerechten Strafe soll belegt werden: 1º wer außer dem in can. 1364, § 1 genannten Fall eine vom Papst oder von einem Ökumenischen Konzil verworfene Lehre vertritt oder eine Lehre, worüber can. 750, § 2 oder can. 752 handelt, hartnäckig ablehnt und, nach Verwarnung durch den Apostolischen Stuhl oder den Ordinarius, nicht widerruft.« bzw. Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßiger Kommentar zur Schlussformel der Professio fidei, vom 29. Juni 1998: »Deshalb ist jeder Gläubige gehalten, diesen Wahrheiten seine feste und endgültige Zustimmung zu geben, die im Glauben an den Beistand, den der Heilige Geist dem Lehramt schenkt, und in der katholischen Lehre von der Unfehlbarkeit des Lehramtes in diesen Bereichen gründet. Wer sie leugnet, lehnt Wahrheiten der katholischen Lehre ab und steht deshalb nicht mehr in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche.«)
  4. Welchen Unterschied sehen Sie zwischen einer päpstlichen Äußerung »mit hoher theologischer Qualifikation« und einer unfehlbar vorgetragenen Lehre?
  5. Was genau meinen Sie mit Ihrer Aussage, die Forderung nach dem Frauenpriestertum sei »nicht verhandelbar«? Bezieht sich das lediglich auf die Gespräche mit der Pfarrer-Initiative oder halten Sie diese Frage in der römisch-katholischen Kirche überhaupt für »nicht verhandelbar«?
  6. Wie genau stellen Sie sich »eine Änderung in dieser Frage« (der Frauenordination) vor, die es »nur durch ein Konzil geben könnte«?
  7. Halten Sie es für möglich, dass ein Konzil der römisch-katholischen Kirche einmal erklärt, bei der Lehre von »Ordinatio Sacerdotalis« handle es sich nicht um eine unfehlbare Lehre, die Gläubigen müssten sich ab sofort nicht mehr daran halten, Papst Johannes Paul II. habe den Verbindlichkeitsgrad seiner Lehräußerung irrtümlich als »endgültig zu haltend« bezeichnet und Gläubige mit Strafen belegt, die bereits vorher eine Lehre vertreten haben, die inzwischen von einem Konzil als mit dem Glauben der Kirche vereinbar bezeichnet wird?

Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen und sie wegen des hohen öffentlichen Interesses und der herrschenden Unsicherheit (Sie wissen ja, »dass das viele nicht verstehen«) gerne auf meiner Website veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Wystrach

2 Gedanken zu „Offener Brief an Bischof Kapellari

  1. Thomas Wystrach

    Am 6. September erhielt ich per E-Mail folgende Antwort von Bischof Kapellari:

    Sehr geehrter Herr Wystrach!
    Für Ihren Mailbrief vom 30. August 2011 und die darin zum Ausdruck kommende Sorge um unsere Kirche danke ich Ihnen. Da ich durch eine Fülle von Aufgaben in Anspruch genommen war, habe ich einen Mitarbeiter unseres Pastoralamtes, Herrn Mag. theol. Karl Veitschegger, um eine provisorische Antwort gebeten. Diese Antwort ist aber, wie im Blick auf beide Texte sogleich klar wird, nicht adäquat. Ich habe heute endlich Zeit gefunden Ihnen eine von mir formulierte Antwort zu geben, indem ich eine Erklärung formuliert habe, die öffentlich allgemein verwendbar sein soll. Sie wird unter anderem auf der diözesanen Homepage (Internet) veröffentlicht. Die von Ihnen sorgsam aufgezählten Argumente werden ohne das Frage-Antwort-Schema ebenfalls veröffentlicht werden. Nehmen Sie, bitte, die genannte Erklärung auch als Teil meines Antwortbriefes an Sie entgegen.

    Mit Segenswünschen
    Dr. Egon Kapellari
    Diözesanbischof von Graz-Seckau

    Antworten
  2. Thomas Wystrach

    Inzwischen ist Bischof Kapellari zu einer »Klarstellung« gedrängt worden:

    Diese in einer sehr anstrengenden und unter Zeitdruck stehenden Gesprächssituation getane Äußerung ist aber theologisch so nicht haltbar. Ich selbst habe in vielen Jahren wiederholt öffentlich erklärt, dass eine Priesterweihe von Frauen für die Kirche nicht möglich sei. Dies ist in Österreich gewiss weithin bekannt. Eine verbreitete öffentliche Meinung will dies aber nicht zur Kenntnis nehmen und überträgt dabei Kategorien der Zivilgesellschaft und ihrer »political correctness« einfach auf die Kirche. Im Wissen um diesen generellen Hintergrund beim Publikum der genannten Fernsehsendung und im Versuch eine maximale Plausibilität für die Ablehnung der Frauenordination zu erreichen, habe ich ohne ausreichende Fundierung auf die von diesem Publikum als höchstrangig einschätzbare Instanz – nämlich auf ein Konzil – verwiesen, das ja als solches nie ohne oder gegen einen Papst tagen und entscheiden könnte. Ein sorgsamer Blick auf die Gesamtheit der lehramtlichen Quellen zeigt aber, dass die Lehre von der Unmöglichkeit einer Priesterweihe von Frauen mit einem solchen lehramtlichen Gewicht endgültig entschieden ist, dass auch ein Konzil mit seinem Papst nichts daran ändern könnte. In Verantwortung für meinen bischöflichen Dienst als Lehrer des Glaubens in Einheit mit Papst und Weltkirche gebe ich diese Erklärung, die ja meinem gesamten bisherigen Wirken als Bischof entspricht, öffentlich bekannt.

    Quellen:
    ChurchWatch: Kapellari als Irrlehrer
    Von der Unmöglichkeit einer Priesterweihe von Frauen

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