Die Selbstachtung des organisierten Laienkatholizismus

Von | 13. August 2011

»Wo Gott ist, da ist Zukunft« (so das Motto des Papstbesuches im September), und wo Kardinal Ratzinger früher als Großinquisitor Präfekt der »Kongregation für die Glaubenslehre« hinlangte, da wächst kein Gras mehr, darf man ergänzen. Nicht nur aufmüpfige Theologen wie Leonardo Boff, Charles Curran, Ernesto Cardenal, Matthew Fox oder Tissa Balasuriya  fielen in den letzten Jahrzehnten dem als »Panzer-Kardinal« oder »Rottweiler Gottes« berüchtigten obersten Glaubenswächter zum Opfer, auch das »Zentralkomitee der deutschen Katholiken« (ZdK) wurde wegen des gemeinsam mit Protestanten gefeierten »Ökumenischen Kirchentags« 2003 heftiger Kritik aus Rom unterzogen.

In einem Zeitungsinterview warf Ratzinger damals dem »uninspirierten« Laiengremium vor, von dort sei »noch nie ein Wort der Glaubensfreude« zu hören gewesen. Auch die im ZdK vertretenen Jugendorganisationen hätten in den letzten Jahrzehnten einen »sehr stark verbürokratisierten Eindruck« gemacht und stellten »mehr ein Funktionärschristentum« dar: »Irgendein Schwung von Glaube ist mir da nie wahrnehmbar gewesen«.

Der damalige ZdK-Präsident Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer ging mit einer Pressemitteilung zum scharfen Gegenangriff über, mit seiner »Realitätsferne« und der »Absage an den katholischen Wirklichkeitssinn« habe Ratzinger »katholische Christen (…) persönlich verletzt«:

Kardinal Ratzinger benutzt jetzt ein Interview, um dem Ökumenischen Kirchentag einen Mangel an Kontur vorzuwerfen. Er gibt zwar zu, »ihn wirklich nur ganz aus der Ferne gesehen« zu haben, aber das hindert ihn nicht, über dieses Ereignis in herabsetzender Weise zu reden. (…) Kardinal Ratzinger scheint nur das wahrzunehmen, was er sehen will und was seine bekannten Vorurteile bestätigt. (…) Natürlich dürfen die üblichen Vorwürfe, das ZdK und die katholischen Verbände, diesmal insbesondere der Jugend, seien funktionärsbestimmt und bürokratisiert, nicht fehlen. (…) Wie Kardinal Ratzinger seinen Ruf nach dem Gottesbezug in der europäischen Verfassung und nach einem Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln Europas mit seiner Verachtung des organisierten Laienkatholizismus in Einklang bringt, bleibt sein Geheimnis.

Ein ähnliches Geheimnis liegt offenbar auch über der plötzlichen Kehrtwende des Zentralkomitees, das nur anderthalb Jahre später dem frischgewählten Papst Benedikt XVI. »Gottes Segen und eine gute Hand« wünschte und »seine Freude darüber zum Ausdruck (brachte), dass der neue Papst das XX. Weltjugendtreffen in Köln besuchen wird«:

»Wir heißen Sie in ihrem Heimatland herzlich willkommen,« rief der Präsident des ZdK, Prof. Dr. Hans Joachim Meyer dem Papst vor der Vollversammlung des ZdK am Freitag, dem 29. April 2005 zu. (…) Die Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri, so versicherte Meyer, sei für das ZdK wie für alle Katholiken konstitutiv. Mit Josef Ratzinger, so der ZdK-Präsident in seinem Bericht zur Lage, übernehme einer der bedeutendsten Theologen der Gegenwart und ein weltweit geachteter Intellektueller das höchste Amt der Kirche. Es sei das Petrusamt der Einheit und des Brückenbaus, in das er nun seine in vielen Jahrzehnten erwiesene geistige Kompetenz und seine umfangreichen Erfahrungen im Dienst an der Weltkirche einbringen werde.

Es war wie im Märchen: Der Kaiser hat neue Kleider, die Hofschranzen jubeln! Auch der Papstbesuch in Bayern 2006 wurde von Meyer öffentlich als »bedeutsamer Höhepunkt im Leben der katholischen Kirche in Deutschland gewürdigt«:

Die freudige Teilnahme hunderttausender katholischer Christen an den Ereignissen dieser Reise (…) erwiesen und verstärkten jene Glaubenstreue und jene Verbundenheit mit der Kirche, ohne die man auf eine kraftvolle und anziehende Zukunft des kirchlichen Lebens in Deutschland nicht hoffen könne.

Meyers eigentlich von den Laien gewünschter Nachfolger Heinz-Wilhelm Brockmann wurde von der Deutschen Bischofskonferenz verhindert; der Ersatzkandidat »von Bischofs Gnaden« hatte dann mehr Glück, dementsprechend freute er sich über den erneuten Papstbesuch im September 2011:

Während der Eröffnung seiner Herbstvollversammlung erreichte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die Nachricht vom Besuch des Papstes in Deutschland im kommenden September. ZdK-Präsident Alois Glück begrüßte in seinem Bericht zur Lage im Namen des ganzen ZdK spontan den Heiligen Vater. Wörtlich sagte er: »So eben höre ich, dass in diesen Minuten in Bonn und Berlin bekannt gegeben wird, dass Papst Benedikt der XVI. im kommenden September erneut unser Land besuchen wird und zwar mit den Stationen Berlin, Freiburg und Erfurt. Ich freue mich darüber und möchte auch in Ihrem Namen Papst Benedikt herzlich willkommen heißen«. Die Vollversammlung gab den Worten des ZdK-Präsidenten mit großem Applaus Nachdruck.

Auch der gescholtene Jugendverband BDKJ findet Ratzinger laut einer peinlichen Ranschmeiße  Pressemitteilung inzwischen »authentisch, menschlich, versöhnend« und bedankt sich artig, »der Heilige Vater [habe] seine Schritte und Beweggründe für sein Zugehen auf die Pius-Bruderschaft verständlich und nachvollziehbar erläutert«. Offen bleibt nur noch die Frage, ob die 2003 so heftig kritisierte »Verachtung des organisierten Laienkatholizismus« durch Kardinal Ratzinger größer ist als die Selbstachtung von Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, der auch 2011 noch als »Einzelpersönlichkeit« im ZdK sitzt und Papst Benedikt zujubeln darf.

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