Worüber beim »Dialog-Prozess« diskutiert werden darf

Von | 25. April 2011

Pünktlich zu Ostern beglückt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz seine Gläubigen mit der über Radio Vatikan und ZDF verbreiteten Zusage: »Wir reden auch über den Zölibat«.

In ihrem offenkundig zur Befriedung der mit rekordverdächtigen Kirchenaustrittszahlen verbundenen »Missbrauchskrise« angekündigten Dialogprozess soll auch über die Frage des Zwangszölibates für römisch-katholische Priester diskutiert werden. Allerdings könne man »sicher nicht in solchen wichtigen Fragen so schnell zu einer Entscheidung kommen«, beeilte sich Erzbischof Zollitsch nachzuschieben.

Seine Äußerungen seien »vor dem Hintergrund einer am Samstag veröffentlichten Umfrage, derzufolge 80 Prozent der Katholiken Reformen in Fragen wie Zölibat und Frauenpriestertum wünschen«, zu verstehen. Die Bischöfe wollten »gute Gründe vorbringen« und »auch noch einmal neu darlegen, welch wichtige Sache für die katholische Kirche die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit« sei. Es gehöre zum Dialogprozess, offene Fragen anzusprechen, die »entscheidendere Frage« sei allerdings »die Frage nach Gott, die Frage, was Glaube bedeutet«.

Eine sehr interessante Meldung, die Einblicke in die Strategie der Kirchenleitung bietet und Konsequenzen für die Strategieüberlegungen der Kirchenreformgruppen nahelegt:

  • Die Bischöfe kündigen einen »Dialog« an, bestimmen aber einseitig, welche Themen dabei überhaupt bzw. »auch« diskutiert werden. In diesem Fall übernimmt Zollitsch wieder einmal die Rolle des »liberalen« Bischofs und »gewährt« den »Dialogpartnern« die Debatte zu einem bestimmten Thema. Andere Bischöfe (z.B. Overbeck oder Müller) hatten solche Themen vorab von der Tagesordnung ausgeschlossen. Geschickt: Ohne irgendeine Veränderung bei der Frage des Zwangszölibats steht Zollitsch nun als »fortschrittlich« dar, damit werden Reformwillige bei der Stange gehalten, ohne dass es etwas »kostet«.
  • Zollitsch dämpft umgehend (berechtigte!) Erwartungen, es könne sich in überschaubarem Rahmen etwas ändern: »Man« (wer genau das ist, wird nicht gesagt!) könne »sicher nicht in solchen wichtigen Fragen so schnell zu einer Entscheidung kommen«. Indem er verschweigt, dass er und seine deutschen Bischofskollegen keinerlei Möglichkeiten haben, das geltende Kirchenrecht zu ändern, entlastet Zollitsch den Papst. Kritik an Benedikt XVI., der seinen universellen Jurisdiktionsprimat sehr wohl zu nutzen weiß, wird so im Vorfeld seines Staatsbesuchs in Deutschland zu mildern versucht. Auch hier werden wieder einseitige Festlegungen im »Dialogprozess« wirksam: Die Bischöfen erklären, welche Frage »wichtig« ist und in welcher Geschwindigkeit Veränderungen »möglich« sein sollen. »Wichtig« muss hier nicht »dringlich« im Sinne der Gemeinden heißen, sondern ist vermutlich als Ablenkung auf die so genannte »weltkirchliche Ebene« gemeint.
  • Zollitsch deutet an, wie ein solcher »Dialog« ablaufen wird: Es geht nicht darum, die Frage der Ehelosigkeit und des Priesteramts einfach zu entkoppeln und den Zölibat freizustellen, sondern den Gläubigen »gute Gründe« vorzubringen und »auch noch einmal neu darzulegen«, warum es beim Zwangszölibat bleibt. Genau diese geplante Wiederholung der Verteidigung des status quo ist aber nicht die Erwartung von »80 Prozent der Katholiken«! Selbstverständlich können in einem »Dialogprozess« noch einmal die Argumente Pro und Contra vorgetragen werden, allerdings verschweigt Zollitsch, was denn die Konsequenz sein würde, wenn die »Dialogpartner« die »guten Gründe« und die erneute »Darlegung« der sattsam bekannten Argumentation nicht plausibel finden und den status quo ablehnen. Übrigens geht mit der auch von Zollitsch wieder bemühten Argumentationsweise ein kaum verhüllter Vorwurf einher, nach der die Menschen, die eine Reform fordern, die bisher bemühte »Begründung« des status quo nicht kennen würden.
  • Zollitsch erklärt, »die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit« sei eine »wichtige Sache für die katholische Kirche«. Hier wird das Thema dem offenen Argumentationsaustausch eines »Dialogprozesses« entzogen, indem ein Vertreter der Kirchenleitung das Festhalten an einem umstrittenen Sachverhalt einseitig als wichtig »für die katholische Kirche« erklärt. Ebendies wird ja von Seiten der Reformer bestritten, ansonsten wäre eine Veränderung ja nicht nötig, ja sogar kontraproduktiv. Den Reformern wird damit wieder ein versteckter Vorwurf gemacht, nämlich dass sie eine angeblich »wichtige Sache für die katholische Kirche« geringschätzen.
  • Zollitsch erklärt, es »gehöre zum Dialogprozess, offene Fragen anzusprechen«. Das ist einerseits eine Binsenweisheit (Dialog ist ein Gespräch über offene Fragen), andererseits macht er damit klar, dass es Fragen gibt, die nicht als »offen« gelten. Welche genau das sind, bestimmen jedoch nicht gleichberechtigte »Dialogpartner« im Konsens, sondern einseitig die Kirchenleitung vorab. Selbstverständlich verschweigt Zollitsch (konsequent in seiner Rolle als »liberaler« Bischof), welche Themen das sind und wer genau das mit welcher Relevanz festlegt.
  • Nicht fehlen darf selbstverständlich das scheinbare Totschlag-»Argument«, die »entscheidendere Frage« sei allerdings »die Frage nach Gott«. Selbstverständlich könnte das die gemeinsame Einsicht aller Dialogpartner sein, allerdings böte sich damit auch die Perspektive an, dass alle anderen Themen demnach sekundär wären und somit die entsprechenden Reformforderungen umgesetzt werden können. Dies gälte umso mehr, wenn durch die Reform die kirchliche Beschäftigung mit der »Frage nach Gott« möglicherweise erleichtert werden könnte, weil sachfremde Hemmnisse wegfallen. Da Zollitsch aber bereits vor Beginn des »Dialogs« bestimmte Fragen als »wichtiger« oder »entscheidender« deklariert, ist offensichtlich, dass damit nicht Relativierung des status quo und Eröffnung von Veränderungspotential gemeint sind, sondern bereits an Vorwürfen gearbeitet wird, die man später den Reformern als »Dialogverweigerern« machen kann …

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