Einen bemerkenswerten Vorgeschmack auf die Ergebnisse der »Dialog-Offensive« in der römisch-katholischen Kirche hat Alois Glück, von bischöflichen Gnaden Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, in einem Zeitungsinterview geboten. Bereits die Diskussion (!) um das Priestertum von Frauen würde nach Ansicht Glücks »unsere Kirche zerreißen«. Wer die Überwindung der Kirchenkrise wolle, müsse darauf Rücksicht nehmen (!) und dürfe nicht auf Positionen beharren, »mit denen man sich im Recht fühlt«. »Wann es Priesterinnen gibt, müssen wir der Fügung Gottes überlassen«, so der Vorsitzende des höchsten römisch-katholischen Laien-Gremiums Deutschlands.
Worüber beim »Dialog-Prozess« diskutiert werden darf (und worüber nicht), konnte man ja bereits aus verschiedenen Äußerungen von Bischöfen erfahren. Nun »bereichert« der frühere CSU-Politiker Glück die Debatte um die Einführung von »Argumenten«, die letztlich jedes theologische Nachdenken über Frauenordination für belanglos erklären: Purer Opportunismus mischt sich mit dreisten Vorwürfen an die Kirchenreformszene.
Interessanterweise fordert Glück Rücksichtnahme nicht von der Kirchenleitung, die seit Jahrzehnten Reformen verweigert, sondern von den Gläubigen, die »nicht auf Positionen beharren« dürften, wenn sie denn wirklich »die Überwindung der Kirchenkrise« wollten. Auch die Warnung vor einer drohenden »Zerreißprobe« stabilisiert nur den status quo; dass die andauernde Verweigerung der Frauenordination möglicherweise noch wahrscheinlicher »unsere Kirche zerreißen« könnte, kommt dem ZK-Chef bei seinen opportunistischen Überlegungen nicht in den Sinn.
Dabei bleiben zwei Aspekte außer Acht: Zum einen hat sich Papst Johannes Paul II. mit höchster dogmatischer Verbindlichkeit gegen die Priesterinnenweihe ausgesprochen. In seinem Apostolischen Schreiben »Ordinatio Sacerdotalis« schrieb er 1994:
Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.
Joseph Ratzingers Glaubenskongregation antwortete 1995 auf Zweifel bezüglich der dort vorgelegten Lehre mit der Erklärung:
Diese Lehre fordert eine endgültige Zustimmung, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist.
Zutreffend fasst der römisch-katholische Kirchenrechtler Norbert Lüdecke die herrschende Lehre zusammen:
Mit dem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdotalis hat Papst Johannes Paul II. autoritativ erklärt, es sei unfehlbare Lehre des ordentlichen und universalen Lehramts der über die Welt verstreuten Gemeinschaft der Bischöfe, daß die Priesterweihe Männern vorzubehalten ist. Durch diesen Akt ist offenkundig, daß es sich um eine definitive, d. h. letztgültige, irreformable, von niemandem jemals mehr revidierbare Lehre der katholischen Kirche handelt.
Glück lässt zwar offen, ob er dies »mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes« anerkennt; angesichts der einbetonierten (und strafbewehrten) Position des Lehramts die Frage der Frauenordination im »Dialogprozess«ausklammern und »der Fügung Gottes überlassen« zu wollen, ist eine fast schon blasphemische Bankrott-Erklärung des organisierten Laien-Katholizismus.
Zum anderen stellt für die meisten Kirchenreformgruppen die Ablehnung der Frauenordination eine eklatante Verletzung der Menschenrechte dar, deren Brisanz man nicht durch wiederholte Verteidigung des status quo entkräften kann. Für die Fortsetzung der geschlechtsspezifischen Diskriminierung sollen ausgerechnet die benachteiligten römisch-katholischen Frauen Verständnis aufbringen und »Rücksicht nehmen« auf die Empfindlichkeiten ihrer Gegner. Die vollständige »Gleichberechtigung der Frauen« ist für Glück nicht selbstevident, sondern lediglich eine der Positionen, »mit denen man sich im Recht fühlt«. Allen Ernstes will er »schnell klarmachen, dass Frauen in der Kirche nicht nur (!) willkommene Hilfskräfte sind«. Man fragt sich, warum in der römisch-katholischen Kirche nicht über die Wiedereinführung der Sklaverei diskutiert wird, schließlich gibt es auch in dieser Frage eine »biblische Tradition« …
Ähnlich unseriös äußerte sich jetzt auch Bischof Fürst (Rottenburg-Stuttgart) im Interview mit der Ludwigsburger Kreiszeitung: